Schicksal eines Wildfangs

Das Schicksal eines Wildfangs erzählt aus der Sicht unseres grauen Mädels „Pranzi“:

“Ich werde meine Heimat nie vergessen.”

Es war vor vielen Jahren, als ich noch in Afrika lebte. Am frühen morgen brach unsere Gruppe auf, um zur Wasserstelle zu fliegen, wo wir uns täglich zu hunderten trafen. Cocco, mein Mann war wie immer an meiner Seite. Bei der Landung verfing ich mich in einer Schlinge und konnte mich nicht mehr befreien. Cocco konnte mir auch nicht helfen, aber er blieb bei mir, bis die Fänger kamen. Sie steckten mich in eine winzige Kiste zusammen mit 50 Anderen. Dabei verlor ich eine Zehe. Zwei erstickten in der Kiste, während wir in der Nacht von den Männern durch den Wald getragen wurden, andere brachen sich dabei die Flügel.

Am Morgen fand ich mich in einem dunklen Holzverschlag wieder, wo ich viele meiner Artgenossen sah. Es roch nach Angst und Tod und gab nichts Richtiges zu essen. Es ging mir ziemlich dreckig, und in den nächsten Wochen habe ich viele von uns sterben sehen.

Nach mehreren Zwischenstationen kamen wir schliesslich zu einem Grosshändler, und von dort zum Flughafen von Daressalam. Dort lernte ich erstmals eine Quarantänestation kennen. Die Unterbringung war nicht viel besser als bisher, die Versorgung dürftig und die vorgeschriebenen Medikamente schlauchten meine Nieren. Viele meiner Kameraden haben die lange Zeit der Quarantäne nicht überlebt.

Nach einer Odyssee, die mich durch die Lagerhallen von Züchtern und Händlern führte, landete ich schließlich in einem Zoogeschäft in Südtirol. Die Nächte in der Schaufensteranlage des Ladens stecken mir noch in den Knochen: Das ständige Blitzen der Lichter in der Nacht, der Lärm der nahen Straße und die Gitterstäbe, die mich an meinem wichtigsten Instinkt beschnitten…

Dann kaufte mich ein junger Mann, dem ich sehr gefiel. Da ich seiner Partnerin aber zu viel Schmutz in der Wohnung machte, gab er mich schliesslich weiter. Ich habe insgesamt noch fünf Mal den Besitzer gewechselt, bis ich zu Tante Gerda kam.

Tante Gerda war lieb, … eh besonders wenn sie mir Schokolade und Pfannkuchen brachte, was ich jetzt leider nicht mehr kriege, … aber ehrlich gesagt hat sie nie verstanden, was ich wirklich brauche. Als sie starb, wurde ich von ihren Erben kurzerhand mit den alten Möbelstücken entsorgt. Der Lastwagenfahrer der Entrümpelungsfirma kannte jedoch das Papageienschutzzentrum und hat mich hierher gebracht.

Hier gibt es jeden Tag frische Früchte zum Essen und fliegen habe ich auch wieder gelernt. Zu meiner unbeschreiblichen Freude habe ich Bessi, einen alten Bekannten hier wieder getroffen, mit dem ich den Schlafbaum teile. Leider ist sein Flügel gebrochen und er wird nie wieder fliegen können. Aber wenn es Palmnüsse aus Afrika gibt, dann freuen wir uns beide riesig.

Doch irgendwie sieht Bessy ein wenig traurig aus. Wie ich trägt auch er Afrika im Herzen und wird sein Leben in Freiheit wohl niemals vergessen…”

 

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